Neu und nie dagewesen: c3queue.de

Oder: Viel Spaß dabei, Bändchen an sechzehntausend Leute auszugeben

Der Chaos Communication Congress ist riesig geworden – dieses Jahr werden mehr als **sechzehntausend Leute** beim 35C3 erwartet, und die Teilnahmezahlen sind bislang konstant gewachsen. Es ist eine überwältigende Veranstaltung, die noch dazu komplett von Freiwilligen organisiert wird, die sich um alles kümmern: Getränke, Raumaufteilung, Dekoration, medizinische Versorgung, Logistik, Finanzen, Internet und Telefon, Vortragsauswahl, Liveübertragung und Aufzeichnungen, und so viele andere Dinge, dass ich zehn Artikel lang nur darüber schreiben könnte.

Die Kassenboxen in Hamburg

Die Herausforderung

Logistische Herausforderungen wachsen nicht brav mit der Veranstaltungsgröße. Wenn ihr mit verschieden großen Veranstaltungen zu tun habt, werdet ihr merken, dass an bestimmten Übergängen die Herausforderungen und Probleme sich wandeln – manche fangen erst bei großen Veranstaltungen an, andere stellen sich plötzlich in einem ganz anderen Licht dar. Es ist beispielsweise eine Sache, Räume für 200, 300, oder 400 Leute zu finden, aber eine ganz andere Sache, einen Veranstaltungsort für 600 Leute zu finden. Eine der Herausforderungen, in die der Chaos Communication Congress wiederholt lief, war der Einlass: Die Eintrittskarten zu prüfen und Bändchen oder Namensschilder zu verteilen stellt sich als eine Winzigkeit anders heraus, wenn plötzlich fünfzehntausend Leute vor einem stehen, als wenn es noch „nur“ zweitausend sind.

Entwicklung

Der Einlass ist an seinen Herausforderungen gewachsen: Von „Ach, wir schreiben die Software einfach fertig, während sich vor uns die Schlange bildet“ entwickelten sich Dinge so weit, dass wir 2013 nicht nur eigene Software hatten, sondern auch eigene Hardware: in fünf wunderhübschen Holzboxen wurden je ein Computer, Handscanner, Drucker, Bildschirm und Tastatur, eine Geldschublade, sowie die Strom- und Netzwerkversorgung verstaut. Seit ein paar Jahren verkaufen wir keine Tickets mehr an der Abendkasse, was auch gut dabei half, die Wartezeit zu reduzieren – es stellt sich raus, dass Leute, die nach ihrem Geld suchen und auf Wechselgeld warten und sich überhaupt erst mal überlegen müssen, welches Ticket sie jetzt doch gleich … so eine Schlange nicht beschleunigen. Wir haben auch andere wichtige Dinge gelernt: Wir haben jetzt Leute, die das vordere Ende der Schlange höflich, aber rasant auf die nächste freie Kasse hinweisen, und andere, die dafür sorgen, dass die Teilnehmenden schon mit gezücktem QR-Code an der Kasse ankommen (man könnte meinen, dass dafür Schilder reichen, aber das tun sie nicht). Die Freiwilligen, die die Kassen besetzen, erreichen durch jahrelange Übung von Blitzesschnelle zu relativistischen Geschwindigkeiten beim Kassieren. Ja, wenn ihr dachtet, dass ihr eine halbe Minute an der Kasse verbracht habt, waren es in Wirklichkeit nur zehn Sekunden – wir können das mit Statistiken belegen.

Eine einsatzbereite Kassenbox

Neuentwicklung

Nachdem wir die vielen, oft schmerzhaften Lektionen gelernt hatten, die einem so eine Einlassschlange über die Jahre beibringt, haben wir uns vor drei Jahren entschieden, die Software für unsere Kassen neuzuschreiben. Vor allem wollten wir dafür sorgen, dass das Kassieren noch weniger Interaktion braucht, und damit schneller wird, aber auch, dass diejenigen, die Nachschub und Hilfe in Problemfällen besorgen, die Freiwilligen an der Kasse besser unterstützen können. Während wir so am Basteln waren, kam uns die völlig innovative Idee, herauszufinden, wie viel Zeit Leute in der Schlange stehen – bis dahin haben wir entweder einfach gefragt (und uns bemüht, Antworten wie „Eine Millionen Jahre, ich habe gezählt!“ zu ignorieren), oder sind einfach mit der Schlange mitgelaufen. Das war zwar oft sehr nett und unterhaltsam, aber nicht so richtig effizient. Stattdessen fingen wir nun an, kleine QR-Codes zu drucken, sie der letzten Person in der Schlange zu geben, die den Code dann bei der Ankunft an der Kasse einscannen ließ. Plötzlich hatten wir eine ganz gute Vorstellung, wie die Wartezeiten sich entwickelten.

Public data

Weil wir ja gerne nützliche Daten öffentlich machen, haben wir jetzt c3queue.de gebaut. Auf dieser Seite könnt ihr die Daten sehen, die wir beim 33C3 und beim 34C3 an den Tagen 0 und 1 gesammelt haben (danach gibt es keine Schlange mehr). Wie ihr sehen könnt, hatten wir beim 33C3 keine merkliche Wartezeit (was bei zwölftausend Leuten schon eine Leistung ist!), aber beim 34C3 konnten Leute bis zu einer Stunde in der Schlange stehen. Das hatte eine Reihe von Gründen: An Tag 0 konnte man ÖPNV-Tickets für den glatten Betrag von 16,70 € an der Kasse kaufen, was sehr in die Zeit ging. Wir fingen auch wegen Verzögerungen im Betriebsablauf später als sonst an, und waren noch nicht ganz an den neuen Ort in Leipzig gewöhnt, was sich vor allem in Problemen in der Schlangenbildung zeigte. (Nachtrag: Beim 35C3 sah es wieder viel besser aus, und die Wartezeiten gingen auf gewohnt kurzes Maß zurück.)

Have you tried …

… Um nicht die zehnminütige Verzögerung zu erwähnen, die sich ausgerechnet während des dicksten Ansturms passierte. Stellt euch vor – Massen von Menschen warten darauf, ihre Congresskarten einzulösen, die Wartezeit reicht schon an eine halbe Stunde ran, und plötzlich fangen die Kassen an, Fehler zu zeigen. Manche Tickets lassen sich einlösen, aber es braucht mehrere Anläufe, und es wird eher schlimmer als besser. Ihr guckt euch den Server an, und er ist total überlastet – was nicht passieren können sollte, das ist schließlich das abgeschottete Kassennetz. Zuerst die Angst, da jemanden drin zu haben, der nicht reingehört, aber das Netz ist sicher, die Anfragen an den Server sehen richtig aus … Die Schlange wächst. Ihr versucht herauszufinden, was falsch sein könnte: ist das Netzwerk performant? Der Server? Die Anwendung? Wie geht es der Datenbank? Die ganze Mannschaft ist am Suchen. Die ganze Mannschaft sind zwei Leute, an zwei Orten. Die Schlange wächst. Plötzlich merkt einer der Freiwilligen, die die Kassen von der Seite unterstützen, dass der Laptop, der dafür zur Verfügung steht, komische Dinge tut, und zieht das Netzwerkkabel. Alles funktioniert plötzlich wieder, nach etwa acht Minuten Stillstand (gefühlt aber einer Stunde). Das Problem war eine eingeklemmte Taste. F5.

Jedenfalls: Dieses Jahr, beim 35C3, wird unsere Seite fast in Echtzeit die Wartezeiten anzeigen. Frohes Warten!